Litauens Hauptstädte - Vilnius, Kaunas, Trakai und Kernave

Die große dreitägige Exkursion während des Kurses führte zu den Orten, die im Laufe der Geschichte alle mal Hauptstadt Litauens gewesen sind. Und der Weg zu den Orten führte von Klaipeda zunächst an der Memel lang, wo wir in den "Genuß" einer Vielzahl von historischen Burgen und Schlössern und Schlössern kamen.

 

Burgen, Schlösser, Herrenhäuser und schon wieder Burgen

Die Gegend entlang der Memel ist eine geschichtsträchtige Gegend, wo im 13. Jahrhundert ständig Kämpfe des Deutschen Ordens und der Kreuzritter gegen die Litauer stattgefunden haben, beidenen es einerseits um die Christianisierung der zu dem Zeitpunkt immer noch heidnischen Litauer und natürlich auch um Land und Macht ging.

Für die sehr geschichtsbewußten Litauer eine wichtige Periode.

 

Obwohl sich unsere Dozentinnen sehr engagiert bemühten, unser Interesse und unsere Begeisterung für die Geschichte wachzurufen und dann aufrecht zu erhalten, war dieser Tag einigermaßen anstrengend. Jede Menge Jahreszahlen und eine Burg bzw. ein Herrenhaus nach dem nächsten. Alles zwar in zum Teil umwerfender Naturkulisse, aber in der Masse einfach zu viel.

 

Hier einige Impressionen:

Zwischendurch haben wir bei der Suche nach einem bestimmten Aussichtspunkt, den der Busfahrer wohl auf Anhieb nicht gefunden hat, zwei einheimisch ältere Männer aufgelesen, die sich als Führer zur Verfügung stellten Der eine der beiden war ein Naturtalent,  wortgewandt ohne Mikrophon hat er fast den ganzen Bus unterhalten und den Busfahrer dann zu einem wirklich beeindruckenden Aussichtspunkt gelotst.

Und anschließend hat er uns noch zum Dorfladen des unterhalb des Aussichtspunkts liegenden Ort gelotst. Der Dorfladen war ein typischer Tante-Emma-Laden mit allem, was man eventuell brauchen könnte: Von Grabschmuck über Gartengerät und Gummistiefel bis zur Kosmetik. Und es gab Speiseeis in dem Laden! Unsere Busladung hat dort sicherlich für einen  Rekordumsatz an Speiseeis gesorgt.

Kaunas - Hauptstadt von 1920 bis 1940

Am Abend erreichten wir Kaunas, das in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, in der Viliius nicht zum Staatsgebiet Litauens gehörte, litauische Hauptstadt war und heute die zweitgrößte Stadt Litauens ist.

 

Der Aufenthalt in Kaunas begann mit einem Blick auf das Panorama der Stadt. Das besondere: Die Aussichtsplatform ist auf einer Kirche!. Irgendwie schon kurios.

Es verblieb der Abend und der nächste Vormittag um einen Eindruck von Kaunas zu gewinnen und ich muß sagen, dass mir die Stadt augesprochen gut gefallen hat, auch wenn es in der Kürze der Zeit nur für einen ersten Eindruck gereicht hat.

 

Kaunas war die Wiege der Republik Litauen, deren Gründung von 100 Jahren, in diesem Jahr in großem Stil gefeiert wird. Im Garten des damaligen Präsidentenpalastes ist eine Ausstellung zur Geschichte der Republik zu sehen

 

Am  beeindruckensten fand ich das Bild der "Gründermütter" der Republik Litauen, die 1918 der Verfassungsgebenden Versammlung angehörten.

Die Verfassung war im übrigen sehr fortschrittlich und führte sowohl das aktive wie auch das passive Frauenwahlrecht ein. Die litauischen Frauen waren somit zeitgleich z.B. mit den Frauen in Deutschland, jedoch früher als ihre Geschlechtsgenossinnen in den USA, Frankreich Belgien usw.  berechtigt, nicht nur zu wählen, sondern sich auch ins Parlament wählen zu lassen.

 

Die sonstigen aus Kaunas mitgenommenen Impressionen reichen von verschiedenen Skulpturen am Marktplatz, über den Nachbau einer wuchtigen Burg an der Memel und dem dort stehenden Reiterstandbild am Ufer der Memel bis hin zu einer Wandmalerei, deren Entwurf eine Kinderzeichnung war und einem wunderschön farbigen Bauzaun.

Vilnius

Vilnius ist natürlich die aktuelle Hauptstadt Litauens und zwar seit 1940.; war es aber vor 1920 bereits über mehrere Jahrhunderte seit ungefähr 1323.

Die Altstadt von Vilnius ist eine beeindruckende Ansammlung von unendlich vielen, überwiegend barocke und daher prachtvollen Kirchen. 

Das Parliamentsgebäude im Zeichen der 100-Jahres-Feier und Kulisse für ein unvermeidliches Gruppenbild

Den Bahnhof von Vilnius fand ich irgendwie architektonisch interessant. Interessant war auch die in der Bahnhofshalle eingerichtete Lounge mit Klavier, das die explizite Aufforderung ("Ohne Dich ist es nur ein Stück Holz") trug, es zu benutzen. Als wir am Abend in den Bahnhof hineinschauten, saß dort Klavier ein etwas 12-14 jährige Junge, der zwar etwas langsam, aber trotzdem gut "Despacito", den Sommerhit des Vorjahres spielte.

Auch interessant ist die Ausstattung der neben den Gleisen befindlichen Kneipe.

In Vilnius liegt auch die freie Republik "Užupis". Ein in den 1990er Jahren entstandene künstlerisch und alternative Ansiedliung im weitesten Sinne vergleichbar mit dem Freistaat Christiana in Kopenhagen.

 

Dieses alternative Experiment ist natürlich inzwischen in jedem Reiseführer zu finden und neben der wohl immer noch existenten alternativen Lebensweise natürlich längst auch ein touristischer Ort.  Dies gilt insbesondere an einem hochsommerlichen Samstagabend während der Hauptreisezeit.

 

Mir waren zu viele "Seh-Leute" dort als dass ich - trotz interessanter Motive -  wirklich Lust gehabt hätte, mich länger dort aufzuhalten. Aber ich bin mir sicher, dass ich wiederkommen werde. Dieses Jahr, nächstes Jahr, irgendwann; ganz sicher aber, wenn weniger Touristen da sind, also in der Vor- oder Nachsaison oder vielleicht auch bei Regen.

Die Republik Užupis hat sich eine aus 41 Paragrafen bestehende, durchaus beeindruckende Verfassung gegeben, die im Zentrum der Republik mittlerweile übersetzt in über 20 Sprachen auf Bronzetafeln angebracht ist.

Die Verfassung in der deutschen Fassung lautet:

  1. Jeder Mensch hat das Recht, am Fluss Vilnia zu leben, und der Fluss Vilnia hat das Recht, an jedem vorbei zu fließen.
  2. Jeder Mensch hat das Recht auf heißes Wasser, Heizung im Winter und ein Ziegeldach.
  3. Jeder Mensch hat das Recht zu sterben, ist jedoch hierzu nicht verpflichtet.
  4. Jeder Mensch hat das Recht, sich zu irren.
  5. Jeder Mensch hat das Recht, einzigartig zu sein.
  6. Jeder Mensch hat das Recht zu lieben.
  7. Jeder Mensch hat das Recht, nicht geliebt zu werden, jedoch nicht unbedingt.
  8. Jeder Mensch hat das Recht, weder berühmt noch bekannt zu sein.
  9. Jeder Mensch hat das Recht, zu faulenzen oder nichts zu tun.
  10. Jeder Mensch hat das Recht, eine Katze zu lieben und für sie zu sorgen.
  11. Jeder Mensch hat das Recht, für seinen Hund zu sorgen, bis einer von beiden stirbt.
  12. Ein Hund hat das Recht, Hund zu sein.
  13. Eine Katze ist nicht verpflichtet, ihren Hausherrn zu lieben, aber in schweren Momenten muss sie ihm beistehen.
  14. Jeder Mensch das Recht, manchmal nicht zu wissen, ob er Verpflichtungen hat.
  15. Jeder Mensch hat das Recht zu zweifeln, ist jedoch hierzu nicht verpflichtet.
  16. Jeder Mensch hat das Recht glücklich zu sein.
  17. Jeder Mensch hat das Recht unglücklich zu sein.
  18. Jeder Mensch hat das Recht zu schweigen.
  19. Jeder Mensch hat das Recht zu glauben.
  20. Kein Mensch hat das Recht, Gewalt auszuüben.
  21. Jeder Mensch hat das Recht, seine Nichtigkeit und seine Größe zu begreifen.
  22. Niemand hat das Recht, nach der Ewigkeit zu trachten.
  23. Jeder Mensch hat das Recht zu verstehen.
  24. Jeder Mensch hat das Recht, nichts zu verstehen.
  25. Jeder Mensch hat das Recht, verschiedenen Nationalitäten anzugehören.
  26. Jeder Mensch hat das Recht, seinen Geburtstag zu feiern oder nicht zu feiern.
  27. Jeder Mensch ist verpflichtet, sich an seinen Namen zu erinnern.
  28. Jeder Mensch darf mit anderen teilen, was er hat.
  29. Kein Mensch kann mit anderen teilen, was er nicht hat.
  30. Jeder Mensch hat das Recht auf Geschwister und Eltern.
  31. Jeder Mensch darf frei sein.
  32. Jeder Mensch ist für seine Freiheit verantwortlich.
  33. Jeder Mensch hat das Recht zu weinen.
  34. Jeder Mensch hat das Recht, unverstanden zu bleiben.
  35. Kein Mensch hat das Recht, einen anderen schuldig zu machen.
  36. Jeder hat das Recht auf Persönlichkeit.
  37. Jeder Mensch hat das Recht, keine Rechte zu haben.
  38. Jeder Mensch hat das Recht, keine Angst zu haben
  39. Besiege nicht
  40. Wehre dich nicht
  41. Gib nicht auf

Auf eher negative Weise gehörte unsere Unterkunft auch zu den Sehenswürdigkeiten von Vilnius.

So gut wie das Hostel in Kaunas war, so grausam war das sehr zental (einziger Pluspunkt) gelegene Hostel in Vilnius.

Offensichtlich gab es nur ein Zweierzimmer, das Brigitte und ich (wahrscheinlich als die Oldies auf der Exkursion) erhalten haben, die Anderen waren teilweise in Vier-Bett-Zimmern oder noch viel schlimmer in 8- oder 10 Bett-Zimmern untergebracht. Die Gemeinschaftsduschen erinnerten mich vom Aussehen und Geruch an die Duschen in alten Freibädern in den 1970er Jahren und ich war wohl nicht die einzige, die sich am nächsten Morgen auf die absolut notwendigste Katzenwäsche beschränkt hat.

 

Das Frühstück am nächsten Morgen war auch ein "Ereignis". Auf Papiertellern in Frischhaltefolie abgepackte Portionen plus Brot, aufgeschnittene Gurken und Tomaten. Das Wasser für den Kaffee musste mit einer großen Kelle aus einem an der Seite stehenden Kessel entnommen werden. Das war ziemlich strange und eigentlich verwunderlich, dass sich dabei niemand verbrannt hat.

Impressionen vom Frühstück einschließlich Brigitte und mir als "Hüterinnen des Wasserkessels":

Trakai

Trakai mit der Burg im See ist ein bekanntes touristisches Ziel, war aber in der Vergangenheit (1316-1323) ebenfalls Hauptstadt Litauens. Die beeindruckende Burg ist wohl nicht original, sondern eine Rekonstruktion neueren Datums.

An einem Sonntag Nachmittag zur Ferienzeit ist ein Ziel wie Trakai natürlich voller Touristen. Litauer und Ausländer.

Auch wenn ich solche touristischen Orte an so exponierten Tagen überhaupt nicht mag, muß ich einräumen, dass der Ort Atmosphäre hat.

 

Natürlich war die Burg als Hintergrundkulisse von Selfies (einzeln oder in Gruppen) heiß begehrt, was zu einer gewissen Überfüllung attraktiver Standort am gegenüberliegenden Ufer führte und natürlich wurde auch das unvermeidbare Gruppenfoto aufgenommen.

Mein beeindruckenstes Erlebnis in Trakai waren allerdings die Heidelbeeren, die eine Mutter zusammen mit ihrer ca. 10 jährigen Tochter unmittelbar an der Brücke zur Burg verkaufte. Die waren einfach nur lecker.

 

Trakai ist nicht nur die Wasserburg, sondern auch der Ortsteil "Alt-Trakai". Mit den bunten Holzhäusern durchaus sehenswert, wenn da auf der Dorfstraße nicht der Parkplatzsuchverkehr der sonntäglichen Touristen gewesen wäre.

Zu Trakai gehört auch die Geschichte der Minderheit der Karäer, einem Turkstamm, dessen Männer als Krieger des Großherzogs Vytautas im 14. Jahrhundert von der Krim nach Litauen kamen und die heute als ethnische Minderheit mit (teilweise noch gesprochener) eigener Sprache und eigener Religion anerkannt sind.. Allerdings sind die Karäer in LItauen inzwischen nur noch eine sehr sehr kleine, vom Verschwinden bedrohte Minderheit.

Die erwähnten Holzhäuser der Karäer weisen zur Straßenseite in der Regel drei Fenter auf. Hier wird gesagt, dass ein Fenster Gott, ein Fenster dem Großfürst Vytautas und eines den Bewohnern des Hauses vorbehalten ist.

In Trakai befindet sich auch eine Kenessa (Gotteshaus der Karäer) und ein Museum zur Geschichte der Karäer. Insbesondere das Museum hätte mich interessiert, es war jedoch leider geschlossen.

Als kulinarische Spezialität der Karäer gelten die Kibinai (Teigtaschen ursprünglich gefüllt mit Lammfleisch und inzwischen auch mit vielen anderen Füllungen). Ich habe Kibinai probiert, sie schmecken gut, wenn auch nicht spektaklär. Das Restaurant mitten auf der Dorfstraße gegenüber der Kenessa weckte mit seiner Außenwerbung irgendwie die Erwartung, dass das Ambiente stilecht sei. Dies war leider nicht so, anstatt wie vor dem Restaurant suggiert in Tracht trug die Bedienung T-Shirts einer der größten Brauereien Litauens, während sie sich bemühte die Touristen(-gruppen) abzufüttern - ein kleines Frusterlebnis, obwohl das Restaurant (ohne die geweckten Erwartungen) eigentlich nett war.

Kernave - Litauens erste Hauptstadt (bis ungefähr 1323)

Kernave ist eine (zugegebene beeindruckende) Hügellandschaft, deren Bedeutung  in archelogischer Sicht, für die Litauer aber insbesondere in emotionaler Sicht liegt.

Wir sind gemeinsam einen der Hügel erklommen und dann wurde gemeinsam gesungen. Wenn ich ehrlich bin, hinterließ dies bei mir - anders als bei vielen anderen - nicht wirklich eine emotionale Wirkung. Aber das Problem hatte ich zu vielen Zeitpunkten auf dieser Eckursion und bin mir durchaus bewußt, dass es nur mir und vielleicht unseren amerikanischen Brüdern so gegangen ist.

Medveglio Kalnas

Für die Rückfahrt wurde dann statt der Autobahn die Landstraße zwischen Vilnius und Klaipeda gewählt. Die Straße führt durch das Hügelland von Zemaiten. Knapp eine Stunde vor Klaipeda haben wir am Medveglio Kalnas noch einen Stopp eingelegt. Die allgemeine Begeisterung hielt sich zunächst in Grenzen, denn eigentlich alle waren übervoll mit Eindrücken, zum Teil ziemlich müde (die Clubs in Vilnius waren wohl recht gut) und erledigt von der Hitze.

Aber der Medveglio hat sich gelohnt. Es handelt sich um die höchste Erhebung der Gegend mit guter Aussicht auf die umgebende Landschaft. Und Virgijna erzählt, dass zu Tag- und Nachtgleiche im September hier und auf den (einige Kilometer entfernten) nächsten Hügeln Feuer entzündet werden, die bei gutem Wetter zu sehen sind. Ist bestimmt interessant, die kurzfristig aufgekommene Idee, zu diesem Anlass wiederzukommen, habe ich jedoch für dieses Jahr bereits verworfen.

Hier aber einige Eindrücke vom Medveglio an einem Sommerabend.